10 Irrtümer im Erbrecht

Wir erleben in der Praxis sehr häufig Fälle, in denen deshalb Erbstreitigkei-ten entstehen, weil sich der Erblasser zu Lebzeiten über die Auswirkungen des Erbfalls, die Gesetzeslage oder die Reichweite einer testamentarischen Regelung geirrt hat. Wir zeigen Ihnen anhand von 10 Beispielen häufige Irrtümer im Erbrecht.

Irrtum 1: „Für eine erbrechtliche Regelung muss ich zum Notar.“

Viele Personen regeln nichts, weil sie denken, dass sie hierfür zum Notar gehen müssen und dies erhebliche Kosten verursacht. Tatsächlich ist es in den meisten Fällen nicht notwendig, dass ein Notar für eine erbrechtliche Regelung aufgesucht wird. Sowohl das Einzeltestament, als auch das Ehegattentestament können privatschriftlich gefertigt werden. Lediglich der sog. Erb-vertrag ist notariell zu beurkunden. Allerdings wird die Notwendigkeit eines Erbvertrags stark überschätzt. Es gibt nur wenige Fälle, in denen ein solcher Vertrag überhaupt abgeschlossen werden muss.

Irrtum 2: „Die gesetzliche Erbfolge regelt meinen Erbfall ausreichend.“

Tatsächlich führt die gesetzliche Erbfolge zu sehr vielen Erbstreitigkeiten, da es kaum eine Situation gibt, in der die gesetzliche Erbfolge zu einer familiär, steuerlich und wirtschaftlich sinnvollen Lösung führt. Gerade überlebende Eheleute haben bei der gesetzlichen Erbfolge das Risiko, dass die Kinder mit ihnen in einer Erbengemeinschaft sind und bezüglich des Gesamtnachlasses mitbestimmen können. Auch fällt in solchen Fällen die konkrete Verteilung von bestimmten Gegenständen wie z. B. Familienandenken und Schmuck schwer. Der Streit ist vorprogrammiert.

Irrtum 3: „Unser Berliner Testament ist bindend.“

Eheleute können im Rahmen eines Ehegattentestaments die als „Berliner Testament“ bezeichnete Lösung wählen: wechselseitig Alleinerbeneinsetzung und dann Schlusserbeneinsetzung, häufig der Kinder. Die meisten Eheleute gehen davon aus, dass der überlebende Ehegatte das Testament dann nach dem ersten Erbfall nicht mehr ändern kann. Tatsächlich kann dies in einem Ehegattentestament auch so bestimmt werden. Hierfür muss allerdings eine konkrete Klausel zur Bindungswirkung aufgenommen werden, die in den meisten Ehegattentestament fehlt. In diesem Fall kann Streit entstehen, wenn der überlebende Ehegatte ein neues Testament erstellt.

Irrtum 4: „Für mich als Deutscher gilt deutsches Erbrecht.“

Diese Aussage war über 100 Jahre gültig. Wegen der ab dem 17.08.2015 anwendbaren EU-Erbrechtsverordnung hat sich dies geändert. Nun kommt es nicht mehr auf die deutsche Staatsangehörigkeit an, sondern darauf, ob ein Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Hier ist noch vieles ungeklärt. Halten Sie sich als z. B. wegen eines Kur- oder Pflegeaufenthalts länger im Ausland auf und versterben dort, kann das dortige Erbrecht ggf. Anwendung finden.

Irrtum 5: „Ich kann ein Ehegattentestament ohne Probleme widerrufen, wenn der andere Ehegatte noch lebt.“

In diesem Bereich werden viele Fehler gemacht. Einerseits ist umstritten, ob ein Ehegatte von einem Ehegattentestament noch abweichen kann, wenn der andere Ehegatte geschäftsunfähig ist. Andererseits gibt es hohe formelle Anforderungen an einen „Widerruf“ des Ehegattentestaments. Es genügt nicht, wenn man den anderen Ehegatten einfach informiert oder ein einseitiges Testament abfasst.

Irrtum 6: „Pflichtteilsansprüche kann ich ohne weiteres durch Schenkungen zu Lebzeiten reduzieren.“

Richtig ist, dass in vielen Fällen Schenkungen zu Lebzeiten dazu führen, dass der Pflichtteilsanspruch reduziert wird. Denn das Geschenkte befindet sich nicht mehr im Nachlass. Allerdings sagt das Gesetz, dass Schenkungen auf den Nachlasswert hinzugerechnet werden und zwar grundsätzlich bis zu einem Zeitraum von 10 Jahren vor dem Erbfall (allerdings für jedes Jahr Wertmäßig abgeschwächt um 10%). Dies ist vielen Personen bekannt. Allerdings wissen die meisten nicht, dass insbesondere Nießbrauchs- oder Rück-forderungsrechte dazu führen können, dass die 10-Jahres-Frist nicht zu laufen beginnt und damit Schenkungen mit dem vollen Wert angesetzt werden können, auch wenn diese vor deutlich mehr als 10 Jahren erfolgt sind.

Irrtum 7: „Bei einer Erbengemeinschaft entscheidet die Mehrheit der Miterben.“

In diesem Bereich gibt es viele Fehler, die dann auch zu Straftaten führen können. Grundsätzlich ist es so, dass bei 2 oder mehr Erben eine Erbengemeinschaft besteht. Diese ist aber nur handlungsfähig, wenn die Erbengemeinschaft einstimmig über Maßnahmen entscheidet. Handelt nur ein Miterbe oder die Mehrheit der Miterben, so sind diese Maßnahmen grundsätzlich unzulässig. Auch ist es grundsätzlich unrechtmäßig, wenn die Miterben da-mit beginnen, sich Nachlassteile alleine anzueignen oder nur Teile des Nachlasses zu verteilen (z. B. das Guthaben auf dem Bankkonto).

Irrtum 8: „Ich brauche immer einen Erbschein.“

Der Erbschein ist ein Dokument, mit dem Sie Ihre Erbenstellung belegen können. Insbesondere Banken und das Grundbuchamt fordern in der Regel einen Erbschein. Bezieht sich der Nachlass aber nicht auf Immobilien oder Bankguthaben wird ein Erbschein häufig nicht benötigt. Es gibt im Übrigen auch die Alternative, dass über eine sog. transmortale Vorsorgevollmacht gehandelt wird, ohne dass ein Erbschein notwendig ist. Dann muss diese Vorsorgevollmacht aber sorgfältig erstellt sein.

Irrtum 9: „Notare können meine Testierfähigkeit bestätigen.“

Gerade in Fällen, in denen Bedenken an der Testierfähigkeit bestehen, z. b. wegen einer beginnenden Alterserkrankung, sollte man sich nicht auf eine hausärztliche Bestätigung oder eine notarielle Beurkundung verlassen. Auch der Hausarzt ist fachlich nicht qualifiziert, die Testierfähigkeit zu bestätigen. Es wird in Grenzfällen eine Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie, ggf. mit Doppelqualifikation für Neurologie benötigt. Die Notare können noch weniger hierzu eine Einschätzung abgeben, da diese die Erblasser-Person meist nicht gut kennen und keine medizinische Einschätzung abgeben können.

Irrtum 10: „Ein Pflichtteilsanspruch steht mir immer zu.“

Richtig ist, dass der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich eine sichere Rechtsposition ist. Allerdings gibt es natürlich viele Fälle, in denen der Pflichtteilsanspruch reduziert oder zerstört werden kann. Beispielhaft ist dies bei der Vermögensreduzierung zu Lebzeiten mittels Schenkungen möglich, aber auch, wenn ein Fehlverhalten des Pflichtteilsberechtigten vorliegt. Dann geht es um den sog. Pflichtteilsentzug. In bestimmten Fällen ist es sogar denkbar, dass überhaupt kein Pflichtteilsanspruch deshalb besteht, weil nicht deutsches, sondern ein ausländisches Erbrecht anwendbar ist und das dortige Erbrecht keinen Pflichtteilsanspruch kennt.

Zusammenfassung:

Natürlich gibt es daneben noch viele weitere Irrtümer. Sie sollten deshalb das Risiko von Erbstreitigkeiten vermeiden, indem Sie zu Lebzeiten auf Basis einer spezialisierten Rechtsberatung die erbrechtliche Rechtslage gestaltend regeln.

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