Erbengemeinschaften in der Praxis

In den meisten Erbfällen entstehen sog. Erbengemeinschaften und zwar dadurch, dass mehrere Personen anteilig Erben werden. Der häufigste Fall ist, dass ein Ehepartner verstirbt und der überlebende Ehegatte mit den Kindern die gesetzliche Erbfolge antritt. Dieser vom Gesetz vorgesehene Regelfall löst in der Praxis aber erhebliche Probleme aus, die in vielen Fällen zur Blockade des Nachlasses und großen Risiken für die Erben führen. Für diese Situation sollte also jeder durch ein Testament eine sinnvolle Erblösung festlegen, damit den nahestehenden Erben diese Probleme erspart werden. Auf die größten Risiken bei Erbengemeinschaften wird nachfolgend hingewiesen.

Beispielsfälle für Risiken bei Erbengemeinschaften

Vorab zeigen mehrere Beispielsfälle aus der Praxis des Autors, welche Probleme typischerweise auftreten können. In einem Mandat hatten drei Schwestern Vermögen in Solingen geerbt. Es handelte sich um mehrere, zum Teil bebaute Grundstücke und Bargeld. Letztlich waren keine Schulden vorhanden und die Aufteilung des Nachlasses wäre einfach gewesen. Leider lebte eine der drei Schwestern auf der Straße und hatte kein Interesse an Geld. Wichtige Dokumente konnten mangels Kenntnis ihres Aufenthaltsorts nicht zugestellt werden und das Erbe ist seit 8 Jahren immer noch nicht verteilt, weil die Schwester das Einverständnis zu einer Aufteilung verweigert. Die Immobilien verfallen. In einem anderen Fall aus Hameln war es so, dass ein Miterbe in Kanada verstorben war. Über viele Monate und mit erheblichen Kosten versuchen die übrigen Miterben seitdem, die Erben dieses kanadischen Erben im Ausland zu einer Mitwirkung zu bringen. Auch hier liegt die Immobilie brach. Die Nachlasswerte können auf Dauer blockiert sein Vielen ist nicht bekannt, dass der gesamte Nachlass (also Bargelder, Kontoguthaben, Immobilienvermögen, Wertpapiere) nur gesamt an die Miterben verteilt werden darf. Es ist also unzulässig, dass sich Miterben einzelne Teile des Nachlasses (beispielsweise das Bargeld) unter einander aufteilen. Zwar kann die Erbengemeinschaft hierüber ausnahmsweise einen Beschluss treffen. Dieser muss aber einstimmig fallen. Weigert sich ein Miterbe, so dürfen die übrigen Miterben den Nachlass nicht verwenden, in vielen Fällen auch nicht für Schulden aus dem Nachlass. Wenn einzelne Miterben trotzdem Teile des Nachlasses ohne Einverständnis der übrigen Miterben entnehmen, auch einzelne Familienandenken, Möbel oder Unterlagen, dann kann das im Einzelfall sogar strafbar sein. Ein störrischer Miterbe kann also auf Jahre hinweg den Nachlass blockieren und zu einer Aufteilung nur mit einem gerichtlichen Verfahren (sog. Auseinandersetzungsklage) gezwungen werden. Miterben bleiben häufig über den Ablauf innerhalb der Erbengemeinschaft im Ungewissen Ein häufiges Problem bei Erbengemeinschaften ergibt sich daraus, dass meistens nur ein Miterbe den Nachlass abwickelt und Einsicht in die Unterlagen hat. Die anderen Miterben, sei es, weil sie mangels Schlüssel keinen Zugang zur Wohnung des Verstorbenen haben oder weiter entfernt wohnen, ggf. auch erst spät vom Todesfall erfahren, wissen also wenig oder gar nichts über den Bestand oder Wert des Nachlasses. Oftmals entsteht dann Streit darüber, ob ein Miterbe bereits Nachlassteile unzulässig entnommen oder bereits zu Lebzeiten Vermögen vom Erblasser erhalten hat. Auf diese Fragen muss ein Miterbe den anderen Miterben aber in der Regel keine Auskunft geben, sodass diese im Ungewissen bleiben und Rechtsansprüche eingeschränkt werden.

Unsicherheiten in der Person eines Miterben

Erbengemeinschaften tragen auch das Risiko in sich, dass Probleme bei einem oder mehreren Miterben eintreten, die der Erblasser nicht gesehen hat. Auch in solchen Fällen, kann der Nachlass bedroht sein. Auf Dauer ist eine Verwertung des Nachlasses beispielsweise dann, wenn ein Miterbe im Ausland lebt und sich nicht um den Erbfall kümmert. Dann müssen die übrigen Miterben mit ausländischen Behörden und Gerichten korrespondieren und Dokumente teuer übersetzen. Ggf. werden Schriftstücke erst nach Monaten zugestellt. Dies verhindert eine schnelle Aufteilung des Nachlasses ebenso, wie in dem Fall, dass ein Miterbe unbekannt verzogen und nicht mehr auffindbar ist. Vergleichbar damit ist auch der Sachverhalt, dass ein Miterbe kurz nach dem Erbfall selbst verstirbt und eine unklare Erbsituation hinterlässt. Dann wissen die verbliebenen Miterben zum Teil über Monate nicht, wer nun ihr Ansprechpartner ist. Zuletzt kann freilich auch der Fall eintreten, dass ein Miterbe aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund eines Unfalls nicht mehr selbst für sich entscheiden kann. In diesem Fall kann von Amtswegen oder durch eine einzelne Person ein gesetzliches Betreuungsverfahren eingeleitet werden. Bis zu einer Entscheidung in diesem Gerichtsverfahren kann die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ebenfalls für längere Zeit ausgeschlossen sein. Diese Situation wird dadurch verschärft, dass gerade bei einer Erbengemeinschaft die übliche Betreuungssituation innerhalb der Familie wegen eines Interessenkonflikts ausgeschlossen sein kann. Erben zum Beispiel der Vater und seine beiden Kinder und würden die Kinder normalerweise den Vater als gesetzliche Betreuer versorgen können, so kann das Gericht dies ablehnen. Denn Vater und Kinder haben in der Erbengemeinschaft ggf. gegensätzliche Interessen.

Schwierige Verwaltung des Nachlasses

Dauert die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft länger, so müssen die einzelnen Vermögensbestandteile, insbesondere Immobilien verwaltet werden. Auch in dieser Situation ist grundsätzlich eine einstimmige Entscheidung aller Miterben erforderlich. Liegt diese nicht vor, so kann dies zu erheblichen Werteinbußen im Nachlass führen, beispielsweise wenn Handwerker- oder Mietverträge für die geerbte Immobilie nicht erneuert oder neu abgeschlossen werden können. Auch die Durchsetzung von geerbten Ansprüchen vor Gericht ist dann nur eingeschränkt möglich. Letztlich kommt es häufig vor, dass über die Monate der Nachlass immer weniger (wert) wird.

Streit und Haftung in der Erbengemeinschaft

In vielen Erbengemeinschaften entsteht ein erhebliches Konfliktpotential. Das kann sich schon daraus ergeben, dass einzelne Miterben bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass einfordern, zum Beispiel ein Schmuckstück, ein Gemälde oder das Familienfotoalbum. Hierauf besteht aber kein Rechtsanspruch, sodass dies zu Uneinigkeit führt. Gleiches gilt für die Situation ein Miterbe die verstorbene Person bis zum Tod über Jahre gepflegt hat. Im Erbfall wird dann überlegt, Kosten für diese Pflege anzusetzen. Auch wenn dies mit Blick auf den erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand gerechtfertigt sein kann, müssen die anderen Miterben einen solchen Anspruch nur dann akzeptieren, wenn dieser zuvor ausreichend vertraglich festgelegt worden ist. Da ein solcher Pflegevertrag aber zwischen Familienangehörigen meist nicht ausreichend abgeschlossen ist, droht auch hier Streit. Dies setzt sich dann fort, wenn einzelne Miterben nicht mehr mittun und passiv bleiben. Die aktiven Miterben treten dann als Ansprechpartner nach außen auf und werden dann aber auch zu Adressaten von privaten oder öffentlich-rechtlichen Forderungen (zum Beispiel Handwerkerrechnung und Grundsteuer). Im Verhältnis zu den Gläubigern haftet der einzelne Miterbe in Höhe des Gesamtbetrags und muss diesen vorstrecken. Er ist dann dazu gezwungen, sich im Anschluss hieran mit den anderen Miterben auseinanderzusetzen.

Wie kann ich den Risiken in einer Erbengemeinschaft vorbeugen?

Ganz wichtig ist, dass die gesetzliche Erbfolge durch Testament abgeändert wird und die Erbfolge so geregelt wird, dass die Konflikte ausgeschlossen werden. Hierfür gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine Variante ist, dass nur eine Person als Alleinerbe eingesetzt wird und die anderen zu bedenkenden Personen nur sog. Vermächtnisse erhalten, also Geldbeträge oder einzelne Gegenstände aus dem Nachlass. Dann liegt keine Erbengemeinschaft vor. Wenn doch eine Erbengemeinschaft notwendig wird, so können die Risiken dadurch abgemildert werden, indem der gesamte Nachlass an die einzelnen Erben mittels sog. Teilungsanordnung verteilt wird (bei mehreren Bankkonten und Immobilien werden diese jeweils einem Erben zugeordnet). Reicht dies aus Sicht des zukünftigen Erblassers nicht aus, so empfiehlt sich in vielen Fällen, einen neutralen Dritten, beispielsweise einen sachkundigen Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker einzusetzen, der die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft übernimmt und die Erben entlastet.

Rechtsberatung und (außer)gerichtliche Vertretung in München, Bayern und Deutschland. Wir sind spezialisiert als Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht im Bereich Erbrecht, Schenkungsrecht, Steuerrecht.