Irrtum bei Vererben von Verbindlichkeiten: „Ich erbe nicht automatisch die Verbindlichkeiten“

Im Erbfall ist es nach dem deutschen Erbrecht so, dass der Erbe automatisch die Verbindlichkeiten des Erblassers übernimmt. Das ergibt sich aus den §§ 1922, 1967 BGB. Die Aussage ,,Ich erbe nicht automatisch die Verbindlichkeiten“ ist deshalb falsch.

Diese Situation führt in der Praxis freilich zu vielen Problemen und Fehlvorstellungen. Denn es ist insbesondere so, dass der Anfall der Verbindlichkeiten völlig unabhängig von einer Kenntnis des Erben erfolgt. Das ist unerwartet, zumal dieser Anfall der Verbindlichkeiten automatisch in der Sekunde des Todes und damit des Erbfalls erfolgt. Es kann also passieren, dass Sie Verbindlichkeiten übernehmen müssen, ohne dass Sie Kenntnis vom Erbfall (1), von den Verbindlichkeiten (2) und von ihrem Erbrecht haben (3). Zu diesen Verbindlichkeiten gehört eine kaum überschaubare Zahl an Schuldpositionen. Beispielhaft sind hier Steuerschulden des Erblassers zu nennen, aber auch Schulden aus schuldrechtlichen Verträgen, beispielweise aus Darlehensverträgen, Mietzinsschulden und Handwerkerforderungen, die der Erblasser noch nicht bezahlt hat.

Der Höhe nach können diese Verbindlichkeiten ein Ausmaß erreichen, das den aktiven Wert des Nachlasses deutlich überschreitet. Es ist dann an dem Erben zu prüfen und zu entscheiden, wie er mit dieser Vermögenssituation umzugehen hat.

Für die Beratung bedeutet dies, dass am besten bereits vor dem Erbfall alle Beteiligten gemeinsam besprechen, ob der Nachlasswert positiv oder negativ sein wird. Für den zweiten Fall muss dann geprüft werden, wie eine Haftung des Erben bestmöglich vermieden wird bzw. wie mit den Verbindlichkeiten umzugehen ist. Der Anfall dieser Verbindlichkeiten, ebenso aber auch der Anfall der positiven Werte des Nachlasses wird dabei als Universalsukzession (sog. Gesamtrechtsnachfolge) bezeichnet.

Möchte man dann im Erbfall später diese Verbindlichkeiten nicht übernehmen, so muss rechtzeitig und wirksam ausgeschlagen werden.

Eine gute Erläuterung der Situation, dass Verbindlichkeiten im Erbfall anfallen können, liefert das VG Cottbus in einer Entscheidung vom 27.10.2016. Das Gericht erläutert dort die §§ 1922, 1967 BGB und stellt eine zweite Haftungssituation dar. Denn der Erbe haftet nicht nur für bereits vor dem Erbfall entstandenen Verbindlichkeiten. Es können daneben weitere Verbindlichkeiten dadurch entstehen, dass der Erbe einen Nachlassgegenstand übernimmt und sich gerade wegen dieses Nachlassgegenstandes nach dem Erbfall eine Verbindlichkeit auf tut. Ein gutes Beispiel sind etwaige Beitragslasten oder ähnliche Zahlungsverpflichtungen, die an einer Immobilie hängen, wenn der Erbe mit dem Erbfall automatisch Eigentümer dieser Immobilie geworden ist.

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