Das Pflichtteilsrecht ist eine deutsche Spezialität. Dem Erblasser nahestehende Personen erhalten unabhängig von einer abweichenden Regelung per Testament einen Mindestanspruch in Geld in Höhe von 50% des gesetzlichen Erbrechts. Der häufigste Fall ist, dass ein Kind enterbt wird und das Kind den Pflichtteil geltend macht. Sowohl auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten (hier das Kind), als auch auf Seiten des Erblassers, der den Pflichtteil begrenzen möchte, werden viele Fehler gemacht bzw. wichtige Punkte nicht beachtet.
1. Bei Schenkungen des späteren Erblassers an den später Pflichtteilsberechtigten wird eine Anrechnungsbestimmung vergessen und nicht dokumentiert. Diese kann dann nicht bewiesen werden.
2. Wenn der spätere Erblasser den Pflichtteil dadurch reduzieren möchte, dass er an Dritte zu Lebzeiten Schenkungen tätig, wird häufig über sehen, dass diese beim Pflichtteil berücksichtigt werden können, insbesondere wenn der Schenker sich ein Nießbrauchrecht vorbehält.
3. Lebt der spätere Erblasser unverheiratet in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird übersehen, dass eine Heirat eine drastische Quotenänderung für weitere Pflichtteilsberechtigte bewirken kann.
4. Eine schlechte testamentarische Regelung kann dazu führen, dass Pflichtteilsansprüche nur mit großen Nachteilen geltend gemacht werden können, obwohl dies erbschaftssteuerlich von allen Beteiligten gewollt ist.
5. Ebenso kann eine schlechte testamentarische Regelung bewirken, dass insbesondere Kinder zum Geltendmachen des Pflichtteils gezwungen werden, weil deren erbrechtliche Position unklar ist.
6. Eine typische Fehlerquelle ist der Schenkungs- bzw. Übergabevertrag, in dem fast immer Regelungen zum Pflichtteil enthalten sind, die die Vertragsparteien aber meist überlesen und deren Bedeutung nicht verstanden wird.
7. In diesem Zusammenhang wird meist zu schnell ein Pflichtteilsverzicht vereinbart, der aufgrund des Automatismus aber erbschaftssteuerliche Nachteile haben kann.
8. Insbesondere wenn ein Auslandsbezug vorliegt, ist den Beteiligten nicht klar, dass das Erbrecht anderer Lander vielfach keinen Pflichtteilsanspruch kennt.
9. Im Erbfall besteht bei Pflichtteilsberechtigten die Fehlvorstellung, dass sie schnell zu Geld kommen. Ein Rechtsstreit dauert viele Jahre.
10. Ebenso gibt es im Pflichtteilsrecht unterschiedliche Verjährungsfristen, die eingehalten werden müssen, wenn man den Anspruch nicht verlieren möchte.
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Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Böh ist Fachanwalt für Erbrecht und Fachanwalt für Steuerrecht und ist außerdem als Rechtsgutachter für deutsche Nachlassgerichte tätig. Er verfügt über langjährige Erfahrung sowohl in außergerichtlichen als auch gerichtlichen Erbauseinandersetzungen. Zudem ist er Autor zahlreicher Kolumnen zum Thema Erbrecht und berät Mandanten u.a. hinsichtlich erbrechtlichen Schenkung, Immobilienübertragung, sowie der effektiven Testamentsgestaltung u.a. auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten.
Rechtsanwalt Oliver Thieler, LL.M. ist seit Jahren u.a. im Bereich des internationalen, länderübergreifendem, Erbrecht tätig und Autor der Publikation: „Richtig Erben und Vererben“.
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