Geschäfts- und Testierunfähigkeit

Was ist Geschäfts- und Testierunfähigkeit?

In vielen Situationen, die der Autor in seiner rechtlichen Praxis betreut, geht es darum, dass gerade ältere Menschen nicht mehr selbst von Gesetzeswegen rechtliche Entscheidungen treffen dürfen. Diesen Betroffenen wird nicht nur ein Teil ihres Selbstbestimmungsrechts genommen. Der Sachverhalt birgt auch die Gefahr, dass rechtliche Entscheidungen im Nachhinein, häufig auch erst nach dem Tod der betroffenen Person angegriffen und rückgängig gemacht werden.

Das kann immer dann der Fall sein, wenn ein Betroffener aufgrund Alter, Krankheit, eines Unfalls oder einer starken Beeinflussung durch Dritte nicht mehr in der Lage ist, selbst zu entscheiden. Soweit es um ein Rechtsgeschäft zu Lebzeiten geht, beispielsweise einen Kauf- oder Mietvertrag kann dies zu einer sog. Geschäftsunfähigkeit führen. Folge ist, dass der Kauf- oder Mietvertrag unwirksam ist. Wenn der Fall ein Testament oder einen Erbvertrag betrifft, dann nennt man dies Testierunfähigkeit. Testament oder Erbvertrag sind dann unwirksam und es tritt eine Erbfolge ein, die die betroffene Person gerade nicht gewollt hat. Eine Geschäfts- und Testierunfähigkeit liegt, rechtlich umschrieben, vor, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen und diese Situation auf einen sog. Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit zurückzuführen ist. In einem Fall aus der praktischen Tätigkeit des Autors war es so, dass eine in Dortmund wohnhafte ältere Dame im Alter geistig sehr stark abbaute. Dies machte sich dadurch bemerkbar, dass sie persönlich und wirtschaftlich nicht nachvollziehbare Rechtsgeschäfte abschloss (Vergabe eines Darlehens an eine fast fremde Person und Ankauf von mehreren dann nicht benutzten Teppichen). Außerdem änderte sie in der Folgezeit etwa 20 Mal ihr Testament mit der Folge, dass das Lieblingskind, das aufgrund einer Behinderung besonderer Fürsorge bedurfte, letztlich enterbt worden ist. Für die ältere Dame musste deshalb eine gesetzliche Betreuung angeordnet werden. Die Erben streiten sich nunmehr darum, welches Testament gültig ist.

Wie sich eine solche Geschäfts- und Testierunfähigkeit im täglichen Leben auswirken kann, zeigen deshalb auch noch folgende Beispiele.

Einleitung einer gesetzlichen Betreuung

Wenn aufgrund Alter, Krankheit oder eines Unfalls die Situation eintritt, dass eine betroffene Person nicht mehr für sich entscheiden kann, so kann bei Gericht eine sog. gesetzliche Betreuung angeregt werden. Dann wird der Person ein gesetzlicher Betreuer zur Seite gestellt, der bei allen Entscheidungen (im gesundheitlichen, privaten und wirtschaftlichen Bereich) hilft. Die Möglichkeit, selbständig Rechtsgeschäfte abzuschließen, ist dann eingeschränkt. Allerdings kann ein gesetzliches Betreuungsverfahren auch zu erheblichen Problemen führen. In einem Fall des Autors aus Essen war es so, dass ein entfernter Verwandter für eine ältere Dame die gesetzliche Betreuung übernommen hatte. Er ordnete dann sehr schnell ein Besuchsverbot für die Tochter und den Enkelsohn der älteren Dame an. Zwischenzeitlich ist die ältere Dame verstorben und die Tochter muss nun prüfen, ob der gesetzliche Betreuer das Vermögen der Betroffenen überhaupt richtig verwaltet hat. Deshalb sollte ein gesetzliches Betreuungsverfahren dadurch vermieden werden, dass man frühzeitig, also im Zustand der Geschäftsfähigkeit, noch eine sog. Vorsorgevollmacht errichtet. Dies lässt dann eine später drohende gesetzliche Betreuung entfallen. Als Nachweis der Geschäftsfähigkeit bei Errichtung der Vorsorgevollmacht sollte man eine aktuelle ärztliche Bestätigung der Geschäftsfähigkeit dem Dokument beifügen.

Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht

Eben auch bei einer Vorsorgevollmacht kann das Problem auftreten, dass diese Erklärung wegen Geschäftsunfähigkeit unwirksam ist. Häufig stellt sich diese Frage dann, wenn die Vorsorgevollmacht mehrfach abgeändert und aktualisiert wird. Einen solchen Fall bearbeitet der Autor für zwei Enkeltöchter aus Hamburg. Dort hatte die noch lebende Betroffene über mehrere Jahre hinweg mehrere Vorsorgevollmachten errichtet, zuletzt eine Vollmacht für die Enkellinnen und früher für eine gute Bekannte. Die Bekannte gab sich dann in der Folgezeit als „Betreuerin“ aus und schirmte die Betroffene von der Außenwelt ab. Seit mehreren Jahren hat die ältere Dame keinen Kontakt mehr zur Familie und Freunden. Die Bekannte rechtfertigt das Hausverbot mit der Vorsorgevollmacht und die Enkeltöchter müssen nunmehr versuchen, diese Vollmacht mit der aktuelleren Vorsorgevollmacht auszuhebeln. Das Gericht prüftnun, ob eine der Vollmachten wegen einer Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen unwirksam ist oder nicht. Denn die ältere Dame war bereits bei der Erteilung der ersten Vollmacht gesundheitlich eingeschränkt.

Unwirksamkeit von Verträgen

Wenn ein Vertragsschluss wegen Geschäftsunfähigkeit einer der beteiligten Personen unwirksam ist, so hat das immer erhebliche Auswirkungen. Oft stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass über einen längeren Zeitraum alle Verträge unwirksam sind. In einem Fall, den der Autor betreut hat, hatte eine ältere Dame aus Wiesbaden Geldbeträge in erheblicher Höhe aufgewendet und damit eine GmbH ausgestattet. Es wurden Immobilien in die Gesellschaft eingebracht und Gelder für die Gesellschaftereinlagen gezahlt. Es fanden ebenfalls Schenkungen an eine dritte Person statt. Als dann die ältere Dame und diese dritte Person um die Wirksamkeit dieser Sachverhalte im Streit lagen, stellte sich die Frage, ob nicht sämtliche Rechtsgeschäfte wegen Geschäftsunfähigkeit der älteren Dame unwirksam sind. Dann wäre sowohl die Gründung der Gesellschaft, als auch jede Geldzahlung und Schenkung angreifbar gewesen.

Unwirksamkeit von Testamenten

Neben der Geschäftsunfähigkeit gibt es für Testamente und Erbverträge die Testierunfähigkeit. Diese ist inhaltlich vergleichbar, aber nicht identisch. Zwischenzeitlich wird die Unwirksamkeit von solchen letztwilligen Verfügungen von Todes wegen immer häufiger durch Gerichte, insbesondere Nachlassgerichte, geprüft. Gerade wenn die verstorbene Person an einer Erkrankung wie Alzheimer oder Demenz litt, werden Testamente wegen Testierunfähigkeit angegriffen. So war dies auch in einem Fall in Bremen. Dort hatte die Erblasserin, während sie bereits unter einer gesetzlichen Betreuung stand, noch ein Testament errichtet, das einen Dritten außerhalb der Familie (einen Bankangestellten) als Erben eingesetzt hat. Die Angehörigen berufen sich nunmehr auf Testierunfähigkeit. Ein solches Vorgehen kann im Übrigen sogar dann erfolgreich sein, wenn ein Notar im Testament oder Erbvertrag die vermeintliche Testierfähigkeit bestätigt. Denn manchmal kann selbst ein Notar die Testierunfähigkeit nicht erkennen und ausreichend nachprüfen.

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