Immobilieneigentümer haben differente Gründe, die Immobilienschenkung zu Lebzeiten als Alternative zu einer erbrechtlichen Lösung vorzuziehen. Die drei Hauptgründe sind
1. das mehrmalige Nutzen der steuerlichen Freibeträge in § 16 EstG alle zehn Jahre (§ 14 ErbStG),
2. das Reduzieren von Pflichtteilsergänzungsansprüchen mit Blick auf § 2325 BGB und
3. das Bedürfnis mit „warmer Hand“ Vermögen weiterzugeben.
Auch wenn eine solche Immobilienschenkung zum Standardrepertoire einer notariellen Beurkundung gehört und Laien dazu verleitet sind, sich auf den notariellen Entwurf des Schenkungs-, respektive Übergabevertrags zu beschränken, enthält jede Immobilienschenkung Risiken, die nicht immer entdeckt werden. Hierfür gibt es vielgestaltige Gründe: einerseits ist ein Notar zu Neutralität verpflichtet und darf nicht allein im Interesse des Schenkers beraten, andererseits zieht sich ein Notar von einer steuerlichen und wirtschaftlichen Beratung zutreffend zurück. Übersehen werden häufig Verträge und bindende Regelungen, die bereits erfolgt sind und die der Immobilienschenker nicht vorlegt. Hierzu gehören beispielsweise bindende Ehegattentestamente oder Vorgängerübergabeverträge, die die Vermögensweitergabe beschränken. Folgende Hinweise sind regelmäßig bei Immobilienschenkungen relevant.
Hinweis 1: Das Verschenken von Miteigentum
Mit Blick auf hohe Immobilienwerte übertragen Immobilieneigentümer vielfach nicht das vollständige Immobilieneigentum, sondern beschränken sich darauf – unter Beachtung der steuerlichen Freibetragsgrenzen des § 16 ErbStG – prozentuale Miteigentumsanteile zu übertragen.
Beispiel: Der Vater überträgt steuerfrei im Wege der Immobilienschenkung 30% der Immobilie an seine Ehefrau und jeweils 15% an seinen Sohn und seine Tochter. Ihm bleiben 50%. Es entsteht eine Miteigentümergemeinschaft.
In vielen Fällen sind die Risiken einer Miteigentümergemeinschaft unbekannt. Einerseits herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Das heißt, der Vater verliert seine Entscheidungskompetenz und ist von seinen Kindern abhängig. Andererseits hat jeder Miteigentümer das Recht, die gesamte Immobilie in die Teilungsversteigerung zu geben. Der Vater verliert die Immobilie, in der er vielfach bis zum Tod leben möchte. Diese Risiken können verhindert werden, indem eine Miteigentümervereinbarung getroffen und die Teilungsversteigerung jedenfalls auf Zeit ausgeschlossen wird.
Hinweis 2: Differenzierung zwischen Wohnrecht und Nießbrauch
Immobilienschenkern ist der Unterschied zwischen beiden Rechtspositionen kaum bekannt. Dabei bergen beide Rechtsinstitute Risiken, die durch eine individuelle Gestaltung des Schenkungsvertrags behoben werden müssen. Bei einem Wohnrecht muss sorgfältig geregelt werden, dass nicht nur die konkret zugewiesene Wohnung genutzt werden darf, sondern auch Gemeinschaftsflächen, die häufig vergessen werden, beispielsweise der Dachboden, der Garten oder der Heizungskeller. Außerdem muss rechtssicher geregelt werden, was passiert, wenn das Wohnrecht nicht mehr ausgeübt werden kann, beispielsweise bei einem Umzug in ein Pflegeheim. Lösungen über eine Rentenablöse oder Einmalzahlung sind denkbar. Bei einem Nießbrauch ist ergänzend zu beachten, dass der Nießbraucher das Risiko eingeht, dass der neue Eigentümer als Ansprechpartner wegfällt, beispielsweise, wenn dieser verstirbt, er geschäftsunfähig wird oder weiter veräußert.
Hinweis 3: Ausweitung der Rückforderungsrechte
Deshalb genügen die standardisiert im Schenkungsvertrag vorgesehenen Rückforderungsrechte nicht aus. Diese Rückforderungsrechte sollten immer am konkreten Einzelfall orientiert sein. Es gibt zudem die Möglichkeit eines freien Rückforderungsrechts, das grundlos ausgeübt werden kann. Ebenso ist denkbar, dass ein Rückforderungsrecht hineingenommen wird, wenn der Vorgang zu einer (unerwarteten) Besteuerung führt, beispielsweise wenn das Finanzamt den zugrunde gelegten Schenkungswert nicht anerkennt und von einer Freibetragsüberschreitung ausgeht. Ein regelmäßiges Problem ist zudem, dass Rückforderungsrechte notariell häufig als höchstpersönliches Recht ausgestaltet sind, sodass eine Rückforderung erschwert wird, wenn einer von zwei Schenkern verstorben ist oder der Schenker geschäftsunfähig wird.
Hinweis 4: Das Risiko der gesetzlichen Betreuung
Insgesamt stellt die eintretende Betreuungsbedürftigkeit auf Seiten des Schenkers, aber auch auf Seiten des Beschenkten immer ein Problem dar, da ein fremder Dritter als gesetzlicher Betreuer dazwischentritt. Dies führt dazu, dass beispielsweise ein unstreitiges laufendes Vertragsverhältnis zwischen nießbrauchberechtigtem Schenker und dem Beschenkten schon deshalb problematisch wird, weil der gesetzliche Betreuer eine Entscheidung verweigert oder schlicht untätig bleibt. Ebenfalls gibt es Fälle, in denen gesetzliche Betreuer versuchen, die Immobilienschenkung wegen Verarmung zurückzufordern (§ 528 BGB).
Hinweis 5: Pflegeverpflichtung und Vorsorgevollmacht
Dieses Risiko kann dadurch verhindert werden, indem eine Vorsorgevollmacht erstellt wird, die das gesetzliche Betreuungsverfahren entbehrlich macht. Dabei genügt nicht jede Vorsorgevollmacht. Eine individuelle rechtliche Beratung, abgestimmt auf die Immobilienschenkung ist zu empfehlen. Dabei kann eine Vorsorgevollmacht zudem einen steuergünstigen Effekt haben. Denn die Übernahme des Vollmachtsamts durch den Beschenkten stellt möglicherweise eine Gegenleistung dar, die den Wert der Schenkung steuerlich senkt. Einen ähnlichen Effekt kann eine übernommene Pflegeverpflichtung haben.
Hinweis 6: Abgleich mit testamentarischen Regelungen
Eine weitere Abgleichungsnotwendigkeit gibt es zwischen Immobilienschenkung und testamentarischer Regelung. Denn in einem solchen Schenkungsvertrag sind regelmäßig erbrechtliche Entscheidungen zu treffen, beispielsweise zur Anrechnung auf den Pflichtteil oder zur Ausgleichung zwischen mehreren Erben. Sinnvoll ist es, zuerst eine individuell beratende testamentarische Regelung zu erstellen und in einem zweiten Schritt die Immobilienschenkung zu vollziehen.
Hinweis 7: Beachtung der EU-Erbrechtsverordnung
Dabei ist auch zu beachten, dass seit 2015 das materiell-rechtliche Erbrecht stark von der EU-Erbrechtsverordnung überlagert wir, die die Anwendbarkeit deutschen oder ausländischen Erbrechts kodifiziert. In der Praxis führt dies zum Konflikt, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt im Erbfall vorliegt. Denn die EU-Erbrechtsverordnung ist auf lebzeitige Immobilienschenkungen nicht anwendbar, sodass es vorkommt, dass sich die Immobilienschenkung nach einer anderen Rechtslage beurteilt als der Erbfall.
Hinweis 8: Bindungswirkung eines Ehegattentestaments und Erbvertrag
Ebenfalls dem Erbrecht entspringt die Fragestellung, ob überhaupt wirksam verschenkt werden kann. Es gibt viele Fälle, in denen Immobilienschenker vor Jahren ein bindendes Ehegattentestament oder einen bindenden Erbvertrag geschlossen haben, ein Ehe- oder Vertragspartner stirbt und der Überlebende verschenken möchte.
Beispiel: Eheleute schließen ein Ehegattentestament in Form des sog. Berliner Testaments und setzen sich als Alleinerben, die beiden Kinder – einen Sohn und eine Tochter – als Schlusserben bindend im zweiten Erbfall ein. Der Ehemann verstirbt. Die Ehefrau möchte nun an die Tochter schenken, da sie sich mit dem Sohn zerstritten hat.
Erfolgt eine solche Schenkung mit sog. Beeinträchtigungsabsicht, so kann der Sohn die Wirksamkeit der Übertragung im Erbfall der Mutter gegenüber der Schwester angreifen. Bei einer Immobilienschenkung ist es in einem solchen Fall notwendig, Argumente, die der Beeinträchtigungsabsicht entgegenstehen, beispielsweise die Absicherung der Pflege der Mutter, mit in den Schenkungsvertrag aufzunehmen.
Hinweis 9: Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch
Pflichtteilsansprüche orientieren sich am Bestand und Wert des Nachlasses zum Todestag. Ist eine Immobilie bereits verschenkt, ist sie nicht mehr Gegenstand des Pflichtteilsanspruchs. Damit dieser Pflichtteilsanspruch aber nicht ausgehöhlt werden kann, wird dieser durch den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch in § 2325 BGB flankiert. Die dortige Abschmelzungsregelung ist vielfach bekannt. Demnach ist der Wert der Schenkung pflichtteilserhöhend zu berücksichtigen, wobei der Wert jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall liegt, um 10% abschmilzt.
Beispiel: Zwischen Schenkung und Erbfall liegen 7 Jahre. Die Schenkung ist nur mit einem Wert von 30% anzusetzen.
Allerdings ist kaum bekannt, dass diese 10-Jahres-Frist (Abschmelzung) in zwei bedeutsamen Fällen nicht anläuft. In Fall 1 überträgt der Ehemann beispielsweise an seine zweite Ehefrau, um das Kind aus erster Ehe zu benachteiligen. Allerdings läuft bei einer Schenkung zwischen Eheleuten die 10-Jahres-Frist generell nicht. In Fall 2 schenken die Eltern an ein Kind, um das andere Kind zu benachteiligen. Sie behalten sich den Nießbrauch vor, um von den Mieteinnahmen zu leben. Der Nießbrauch verhindert dabei ebenfalls den Anlauf der 10-Jahres-Frist.
Hinweis 10: Das Familienheim gemäß § 13 Abs.1 Nr.4a-c ErbStG
Ist eine Immobilienschenkung steuerlich motiviert, so sind die Grundmechanismen den Beteiligten meist bekannt. Unerwartet ist für viele dennoch, dass bereits ein steuerlich sinnvoll gestaltetes Testament eine lebzeitige Immobilienschenkung entbehrlich macht. Dies kann dadurch erreicht werden, indem man beispielsweise Steuervermächtnisse anordnet oder Enkelkinder, deren Freibetrag € 200.000,00 beträgt, ebenfalls begünstigt. Ein weiteres Thema, das häufig übersehen wird, ist das Familienheim. Dieses bleibt unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei, und zwar insbesondere im Erbfall. Hierfür ist erforderlich, dass im Rahmen einer Testamentsberatung eine durchsetzbare Regelung geschaffen wird. Ist dies erfolgt, kann eine kostenverursachende Schenkung des Familienheims zu Lebzeitgen manchmal vermieden werden.
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