Aktuellen Schätzungen zufolge verfassen nur etwa 20% der späteren Erblasser ein Testament. Dabei ist die Frage, ob ein Testament sinnvoll ist oder es genügt, sich auf die gesetzliche Erbfolge zu verlassen, klar zu beantworten: die gesetzliche Erbfolge führt ist nahezu jedem Erbfall zu Nachteilen. Solche Nachteile können unter anderem sein
– die rechtliche Blockade innerhalb einer entstandenen Erbengemeinschaft,
– die schwache Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten,
– erbschaftssteuerliche Nachteile, da Steuerfreibeträge nicht optimal genutzt werden können,
– fehlende Rechtsgestaltung für bestimmte Situationen, zum Beispiel minderjährige Erben.
Entscheidet man sich für ein Testament, wird allzu häufig kein Wert auf eine praxisorientierte erb- und erbschaftssteuerliche Beratung gelegt. Das bloße Verwenden einer standardisierten Formulierung genügt zumeist nicht. Deshalb weist der Autor auf 10 Gründe hin, die in seiner Rechtspraxis häufig dazu führen, dass ein Testament scheitert:
1. Formverstoß
Ein Formverstoß droht vor allem, wenn der Testierende ein Testament handschriftlich ausfertigt. Der Autor hat Fälle erlebt, in denen ein Mandat den Testamentstext maschinenschriftlich abgefasst hat bzw. in einem anderen Fall die Unterschrift vergessen wurde. Selbst wenn das Testament ursprünglich formwirksam erstellt worden ist, also bei eigenhändigen Testamenten handschriftlich mit Unterschrift, gibt es das Risiko, dass spätere Änderungen formunwirksam sind. Ein Durchstreichen oder eine Ergänzung kann zu einem Formverstoß führen. Ebenfalls ist problematisch, wenn man zahlreiche Einzelgegenstände als Vermächtnisse zuordnet und diese Einzelgegenstände mit Bildern und einer maschinenschriftlichen Tabelle als Anhang konkretisiert.
Praxistipp: Ein durch einen Laien erstelltes Testament sollte immer rechtsanwaltlich auf die Wirksamkeit hin überprüft werden.
2. Vergessene Ersatzerben
Testierende übersehen vielfach die Situation, dass der eingesetzte Erbe vor dem Erbfall wegfällt. In einer solchen Konstellation sollte ein sog. Ersatzerbe eingesetzt werden. Fällt beispielsweise das als Erbe eingesetzte Kind weg, sollte das Enkelkind als Ersatzerbe im Testament genannt sein. Gibt es keine nahestehenden Verwandten als Ersatzerbe, sollte man beispielsweise an eine passende gemeinnützige Organisation gedacht werden, bevor der Nachlass an entfernte Verwandtschaft oder den Fiskus fällt.
Praxistipp: In einem Testament sollte immer mindestens ein Ersatzerbe genannt werden. Ist der Ersatzerbe bereits älter und ist es wahrscheinlich, dass er den Erbfall nicht mehr erlebt, so sollte ein weiterer Ersatzerbe eingesetzt sein.
3. Irrtum zur Bindungswirkung
Bei Ehegattentestamente, die häufig mit dem Inhalt eines Berliner Testaments versehen werden, gehen die testierenden Eheleute meistens davon aus, dass das Ehegattentestament für den überlebenden Ehegatten bindend ist. Es wird unterstellt, dass er den Nachlass nicht einfach an eine dritte Person verschenken oder ein neues Testament errichten darf. Diese Annahme ist allerdings nicht richtig. Denn ein Ehegattentestament hat nur eine Bindungswirkung, wenn sich dies aus dem Testamentstext ableiten lässt. Es gibt also Ehegattentestamente mit Bindungswirkung, ohne Bindungswirkung oder mit einer sog. eingeschränkten Bindungswirkung.
Praxistipp: Im Ehegattentestament sollte klar geregelt sein, welche der drei Varianten gewünscht wird. Der Fachbegriff für eine Bindungswirkung lautet Wechselbezüglichkeit.
4. Unanwendbarkeit des deutschen Erbrechts
Die meisten Testierenden gehen davon aus, dass deutsches Erbrecht in ihrem Erbfall anwendbar ist, weil sie deutsche Staatsbürger sind. Diese Annahme ist aber falsch. Denn die EU hat vor einigen Jahren im Rahmen der sog. EU-Erbrechtsverordnung den Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts geändert. Es kommt demnach nicht mehr auf die Staatsbürgerschaft, sondern auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Prägend ist also auch nicht der bloße Wohnsitz. In der Praxis entsteht hierdurch viel Streit, beispielsweise, wenn der spätere Erblasser in einer ausländischen Pflegeeinrichtung untergebracht ist. Dann kann das dortige Erbrecht gelten, mit Auswirkungen im gesetzlichen Erbrecht, im Pflichtteilsrecht, bei der Gültigkeit von konkreten erbrechtlichen Regelungen und der Frage der zulässigen Testamentsform.
Praxistipp: Testierende mit deutscher Staatsangehörigkeit können die Anwendbarkeit deutschen Erbrechts im Testament festlegen.
5. Der Widerruf bei Ehegattentestamenten
Ist ein Ehegattentestament erstellt, dürfen die Eheleute sich zu Lebzeiten beider Ehepartner von diesem Testament einseitig lösen. Die Praxis zeigt allerdings, dass den meisten Eheleuten nicht klar ist, dass ein hierfür notwendiger Widerruf notariell zugestellt werden muss. Damit wird sichergestellt, dass der Widerrufsempfänger weiß, dass auch er an das Ehegattentestament nicht mehr gebunden ist. Fehlt aber die notarielle Zustellung, so ist der Widerruf unwirksam. Der Autor kennt Fälle in seiner Rechtspraxis, in der Eheleute unwissentlich über mehrere Jahrzehnte an ein „widerrufenes“ Ehegattentestament gebunden waren.
Praxistipp: Bei dem beabsichtigten Widerruf eines Ehegattentestaments muss ein Notar eingeschaltet werden.
6. Pflichtteilsansprüche durch lebzeitige Schenkungen reduzieren
Pflichtteilsansprüche sind ein großes Problem auch im Rahmen der Testamentserrichtung und Testamentsdurchsetzung. Deshalb sind spätere Erblasser motiviert, die Höhe der Pflichtteilsansprüche zu beschränken. Dies gelingt beispielsweise dadurch, dass der Nachlass durch lebzeitige Schenkungen reduziert wird. Zwar werden solche Schenkungen über § 2325 BGB teilweise auf den Nachlass hinzugerechnet, je „älter“ diese Schenkungen sind, desto geringer ist die Hinzurechnung. Für jedes Jahr zwischen Schenkung und Erbfall fallen grundsätzlich 10% Schenkungswert pflichtteilsreduzierend weg. Bei dieser Gestaltung gibt es aber zwei Probleme, die kaum bekannt sind. Wird zwischen Ehegatten geschenkt, so gilt die Abschmelzungsregelung grundsätzlich nicht (1). Ebenso läuft die Abschmelzungsregelung nicht an, wenn ein Nießbrauchvorbehalt beispielsweise bei einer Immobilienschenkung vorbehalten ist (2).
Praxistipp: Ist eine Pflichtteilsreduzierung beabsichtigt, muss genau geprüft werden, inwieweit die Abschmelzungsregelung anläuft.
7. Mehrheitsentscheid bei Erbengemeinschaften
Die Risiken einer Erbengemeinschaft werden vielfach unterschätzt. Ein Hauptproblem liegt darin, dass innerhalb einer Erbengemeinschaft nur einvernehmlich agiert werden kann. Selbst ein Mehrheitsentscheid reicht meistens nicht aus. Selbst ein Miterbe mit einer 1%-Beteiligung kann das sog. „Zünglein an der Waage“ sein. Es gibt Fälle in der Rechtspraxis des Autors, in denen über mehrere Jahre hinweg Miterben unzulässig agiert und sich schadenersatzpflichtig gemacht haben.
Praxistipp: Die Vertretung innerhalb einer Erbengemeinschaft sollte idealerweise über eine Vollmacht geregelt werden, damit nicht bei jeder Entscheidung eine Abstimmung erfolgten muss.
8. Die Notwendigkeit eines Erbscheins
Viele Testierende lassen das Testament durch einen Notar ausfertigen, da sie davon ausgehen, dass nur ein notarielles Testament ausreicht, die Notwendigkeit eines kostenpflichtigen Erbscheins zu vermeiden.
Praxistipp: Auch eine formwirksame transmortale Vorsorgevollmacht kann den Erbschein entbehrlich werden lassen. Eine solche Vorsorgevollmacht muss nicht notariell beurkundet werden. Es genügt die kostengünstige notarielle Unterschriftsbeglaubigung.
9. Die notarielle Bestätigung der Testierfähigkeit
Steht die Frage im Raum, ob der Testierende noch testierfähig ist, wird vielfach der Weg zum Notar gewählt, da man davon ausgeht, dass der Notar mittels eine bestätigten Testierfähigkeit für Rechtssicherheit sorgt. Dies ist aber ein Irrtum, da ein Notar als medizinischer Laie ebenso wenig wie ein Rechtsanwalt oder der medizinisch nicht ausreichend qualifizierte Hausarzt eine hinreichende Aussage zur Testierfähigkeit treffen kann.
Praxistipp: Rechtssicherheit verspricht in der Regel nur eine gutachterliche Beurteilung eines Facharztes für Psychiatrie.
10. Der sichere Pflichtteilsanspruch
Es gibt die Fehlvorstellung, dass bestimmte, dem Erblasser nahestehende Personen immer einen Pflichtteilsanspruch haben. Dies ist aber nicht richtig. Es gibt mehrere Konstellationen, in denen der Pflichtteilsanspruch reduziert oder gar auf Null gesetzt werden kann. Ein kaum bekanntes Beispiel ist die Situation, dass der Pflichtteilsberechtigte bereits zu Lebzeiten ein sog. Eigengeschenk erhalten hat. Selbst wenn keine Pflichtteilsanrechnung bei diesem Geschenk angeordnet ist, kann dies zu einer Reduzierung des sog. Pflichtteilsergänzungsanspruchs führen.
Praxistipp: Ein vollständiger Verlust des Pflichtteilsanspruchs kann dadurch erreicht werden, indem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Land nimmt, das kein Pflichtteilsrecht kennt.
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