Irrtum über rechtliche Qualifikation als Vermächtnis oder Erbeinsetzung: „Wenn ich in einem Testament einen Einzelgegenstand zuwende, ist das keine Erbeinsetzung“

Viele Testamentsersteller denken, dass es sich nicht um eine Erbeinsetzung handelt, wenn man lediglich bestimmte Einzelgegenstände dem Begünstigten zuwendet. Es besteht der weitläufige Irrtum, dass in einem Testament bei einer Erbeinsetzung ausdrücklich von Vererben die Rede sein muss.

Tatsächlich ist der Gebrauch dieses Begriffes aber überhaupt nicht erforderlich. Ebenso wenig ist es notwendig, dass der gesamte Nachlass oder eine bestimmte Quote weiter gegeben werden muss, um faktisch eine Erbeinsetzung zu generieren. Denn auch die Übertragung eines Einzelgegenstandes in einem Testament kann im Einzelfall und zwar in Abgrenzung zu einem Vermächtnis eine Alleinerbeneinsetzung darstellen bzw. eine quotale Erbeinsetzung bedeuten. Dies ist abhängig vom Gesamtwortlaut des Testaments und vom Willen des Erblassers. Dieser Erblasserwille ist dann im Erbfall zu ermitteln.

Gerade wenn es sich bei einem zugewendeten Einzelgegenstand um den Hauptvermögensbestandteil handelt, kann eine Erbeinsetzung vorliegen. Dies zeigt folgendes Beispiel:

Der Erblasser ist Eigentümer einer Wohnimmobilie mit einem Wert von 1.000.000 Euro. Daneben hat er keinen weiteren Nachlass bis auf kleines Sparguthaben in Höhe von 5.000 Euro. Nun schreibt der Erblasser sein Testament und regelt dort: ,,ich vermache meine Immobilie meiner Lebensgefährtin.“ Wenn man hier nur den Wortlaut „vermache“ zu Grunde legen würde, könnte die Immobilie als bloßes Vermächtnis an die Lebensgefährtin gehen. Die Erbeinsetzung wäre dann nicht geregelt. Es würde die gesetzliche Erbfolge gelten. Im Rahmen einer Testamentsauslegung kann hier aber auch die Lösung gefunden werden, dass die Lebensgefährtin Alleinerbin geworden ist, da die Immobilie der Hauptvermögensgegenstand ist. Auch das Sparguthaben würde dann an die Lebensgefährtin fallen.

In der Beratungspraxis müssen solche Unklarheiten natürlich vermieden werden. Das heißt, dass in jedem Fall eine Aussage zur Erbenstellung erfolgen sollte. Diese Aussage sollte auch in einem eigenen Absatz erfolgen. Daneben zu regelnde Vermächtnisse sind dann eigens zu benennen und klar zu definieren. Es sollten in einem Testament auch von der Errichtungsstruktur her Erbeinsetzung und Vermächtnis deutlich abgegrenzt werden (durch Absätze und gesonderte Paragraphen).

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