Im folgenden Fall hatte eine Frau aus der Ehe mit ihrem verstorbenen Mann vier gemeinsame Kinder. Sie übertrug auf einer ihrer Söhne mit notariellem Überlassungsvertrag ein Grundstück „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlass des Veräußerers“. Dies heißt das, dass die Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet wird. Ebenfalls wurde bestimmt, dass die anderen drei Kinder sowie ihre Nachkommen auf etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche in Bezug auf das überlassene Grundstück verzichten. Der Sohn stellt nach dem Ableben der Frau einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, wonach alle vier Kinder gleichmäßig als Erben aufgeführt werden sollen. Die Geschwister sind anderer Ansicht. Sie wenden ein, dass der Sohn durch den Überlassungsvertrag enterbt wurde.
Das Gericht entschied zugunsten der übrigen Kinder (OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.08.2022; 3 W 55/22). Entscheidend ist der zu ermittelnde Wille des Erblassers, ob auch eine Enterbung durch die unentgeltliche Überlassung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gewünscht war. Eine stillschweigende Enterbung ist möglich, wenn der Ausschließungswille eindeutig erkennbar ist. Die Enterbung muss auch nicht im Testament erklärt werden. Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin zum Ausdruck gebracht, dass der Sohn die Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen soll. Somit lässt sich hieraus der Wille erkennen, dass dem Sohn nicht mehr als der Pflichtteil verbleiben soll. Im Ergebnis wird er kein gesetzlicher Erbe. Es deutet auch auf eine Enterbung hin, dass verfügt wurde, dass für die übrigen Kinder etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche bezüglich der Überlassung des Grundstücks ausgeschlossen wurden.
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