Ein weitverbreiteter Irrtum besteht, wenn es um das ,,Vererben“ eines Wohnrechts bzw. Nießbrauchrechts geht.
Bereits die begriffliche Einordnung dieser Rechtspositionen ist unklar. Sowohl Wohnrecht als auch Nießbrauchrecht sind besonders relevant, wenn innerhalb einer Familie Immobilienvermögen beispielsweise an die Abkömmlinge weiter gegeben werden soll. Eltern behalten sich dann entweder ein Wohnrecht oder ein Nießbrauchrecht vor, um diese Immobilie bis zum Tod nutzen zu können. Dabei findet häufig schon keine saubere Trennung zwischen diesen beiden Rechtspositionen statt. Wohnrecht und Nießbrauch lassen sich am besten verstehen, wenn man diese mit dem Volleigentum an eine Immobilie vergleicht. Eigentum an einer Immobilie bedeutet, dass der Eigentümer die Immobilie veräußern kann (1), die Immobilie vermieten kann (2), sowie die Immobilie selbst bewohnen kann (3). Nimmt man nun von dieser Rechtsposition die Möglichkeit der Veräußerung heraus, gelangt man zum Recht des Nießbrauchs. Streicht man dann aber noch die Vermietungsmöglichkeit weg, verbleibt ein bloßes Wohnrecht.
Schon allein diese Differenzierung zeigt, dass es für Übertragende meist besser ist, sich ein Nießbrauchrecht vorzubehalten.
Das hier maßgebliche Problem besteht aber darin, dass weder das Wohnrecht, noch das Nießbrauchrecht grundsätzlich vererbbar sind. Wird also im notariellen Vertrag ein Fehler gemacht, kann das fatale Folgen haben.
Dies zeigt folgendes Beispiel: es gibt die Mutter, den Vater und eine Tochter. Immobilieneigentümerin ist nur die Mutter. Alle drei Beteiligten besprechen, dass die Immobilie an die Tochter zu Lebzeiten übergehen soll, um Erbschaftssteuer zu sparen. Gleichzeitig ist vereinbart, dass die beiden Eltern bis zum Tod in der Immobilie leben sollen. Es wird dann im notariellen Übergabevertrag für die Mutter ein Wohnrecht vereinbart. Ein Wohnrecht für den Vater wird vergessen. Das bedeutet, dass, sobald die Mutter verstirbt, das Wohnrecht erlischt und der Vater keine Rechtsposition mehr an der Immobilie hat. Die gleiche Situation würde auch bestehen, wenn ein Nießbrauchrecht vereinbart worden wäre. Bei einer solchen vertraglichen Gestaltung ist also immer zu beachten, wer in welchen Fällen Rechtsinhaber werden soll.
Ein Beispiel aus der Beratung des Autors belegt das Problem der Nicht-Vererblichkeit von Wohnrecht und Nießbrauch noch stärker. Hier wurde ein Großunternehmer aus Norddeutschland von seinen Steuerberater dazu überredet, das gesamte Unternehmen in eine Stiftung zu geben und der Familie lediglich ein Nießbrauchrecht am Unternehmen zu gewähren. Der Unternehmer ist augenscheinlich davon ausgegangen, dass die Familie über viele Generationen hinweg auf Grund dieses Nießbrauchrechts an den Erträgen des Unternehmens partizipieren kann und damit ein kontinuierlicher Familienzugriff auf das Unternehmen besteht. Tatsächlich wurde das dann aber vertraglich gerade nicht vereinbart. Der Nießbrauch wurde nur zu Gunsten der beiden Töchter des Unternehmers vereinbart bzw. auch noch zu Gunsten seiner Ehefrau. Sobald aber die Töchter bzw. die Ehefrau verstorben sind, gibt es überhaupt keine Rechtsposition der verbleibenden Familie (der Enkelkinder unter weiteren Generationen) am Unternehmen.
Zur Klärung des weit verbreitenden Irrtums, man könne ein Wohnrecht bzw. Nießbrauchrecht erben, wird auf eine Entscheidung des AG Leipzig verwiesen. Das Gericht diskutiert eine vergleichbare Fragestellung, denn es gibt noch viel mehr Rechtspositionen, die höchstpersönlich und damit nicht vererbbar sind. Im konkreten Gerichtsverfahren ging es um das Recht zur Erteilung der Restschuldbefreiung. Auch hier wurde die Vererblichkeit bzw. Unvererblichkeit diskutiert und klargestellt, dass bei Fehlen einer klaren Regelung im Einzelfall das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge sowie die Interessen des Erben bzw. des Rechtsverkehrs gegeneinander abzuwägen sind.
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